7. Rechtliche Vorsorge
Es stehen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, um in gesunden Tagen im Sinne der Selbstbestimmung schriftliche Willenserklärungen für den Fall einer späteren Einwilligungsunfähigkeit abgeben zu können: die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung, die Patientenverfügung und die Gesundheitsvollmacht. Die ersten drei können beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden, um dem Gericht bei Bedarf die Suche nach Bevollmächtigten zu erleichtern.
Weitere Informationen sowie konkrete Formulierungshilfen zu den folgenden Themen sind im Pflege-Glossar verlinkt.
Im deutschen Recht haben nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern ein umfassendes Sorgerecht und damit die Befugnis zur Entscheidung und Vertretung in allen Angelegenheiten. Für eine*n Volljährige*n können hingegen die Angehörigen nur in zwei Fällen entscheiden oder Erklärungen abgeben: aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder wenn sie gerichtlich bestellte Betreuer*innen sind.
Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person des Vertrauens beauftragt werden, stellvertretend zu handeln, zu entscheiden und Verträge abzuschließen - entweder umfassend oder in abgegrenzten Bereichen. Die Vollmacht gilt nur, wenn diese Dinge nicht mehr selbst bewältigt werden können. Die Vollmacht kann jederzeit geändert oder entzogen werden. Auch persönliche Wünsche können formuliert werden - etwa, welche Gegenstände unbedingt mit ins Heim genommen werden sollen. Wenn Angelegenheiten der Gesundheit geklärt werden sollen, muss der*dem Bevollmächtigten ausdrücklich die Befugnis erteilt werden, in ärztliche Maßnahmen einzuwilligen oder sie zu untersagen. Gleiches gilt für eine Vollmacht in Angelegenheiten des Aufenthaltes.
Um der Vorsorgevollmacht Durchsetzungskraft zu geben, sollte sie vom Notar beglaubigt oder beurkundet sein. Die Aussagen der Vorsorgevollmacht sollten in regelmäßigen Abständen, etwa jährlich, für auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Es empfiehlt sich dies durch eine Unterschrift mit aktuellem Datum zu bestätigen. Da eine Vorsorgevollmacht auf die*den Einzelne*n zugeschnitten ist, gibt es für die Form einen großen Gestaltungsspielraum.
Von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden ist eine Betreuungsverfügung. In der Betreuungsverfügung äußert man den persönlichen Wunsch, wer eine rechtliche Betreuung übernehmen oder auf keinen Fall übernehmen soll, wenn diese vom Betreuungsgericht angeordnet wird (vgl. § 10901c BGB).
Beim Betreuungsgericht können Betroffene selbst einen Antrag stellen, eine Betreuung kann aber auch durch Dritte, beispielsweise das Krankenhaus, angeregt werden. Bei der Auswahl der Betreuungsperson ist das Gericht an die Betreuungsverfügung gebunden. Auch mündliche Wünsche der*des Betroffenen müssen berücksichtigt werden. Es überprüft jedoch die Eignung der selbst bestimmten Betreuungsperson bevor diese Entscheidungen treffen darf. Zudem wird sie gerichtlich überwacht und muss jährlich berichten - im Gegensatz zu der*dem Vorsorgebevollmächtigten, die*der nicht unter solcher Kontrolle steht.
Der Umfang der Befugnisse der Betreuungsperson richtet sich nach den Bestimmungen einer vorhandenen Betreuungsverfügung und dem gerichtlich bestimmten Bedarf der zu betreuenden Person. Dabei können der Betreuungsperson
- finanzielle Angelegenheiten
- Gesundheitssorge
- Wohnungsangelegenheiten
- Aufenthaltsbestimmungen
übertragen werden. Für Menschen, die eine Betreuung übernehmen, ist es wichtig, dass ihr Aufgabenbereich klar definiert ist. Diese Aufgaben werden vom Betreuungsgericht festgelegt und stehen im Betreuerausweis. Nach § 1902 BGB vertritt die Betreuungsperson die zu betreuende Person in diesen Aufgabenkreisen gerichtlich und außergerichtlich.
Liegt keine Betreuungsverfügung vor und kann oder möchte die*der Betroffene keinen Vorschlag äußern, wird ein* Betreuer*in vom Gericht bestimmt (vgl. §1897 BGB). Das können Angehörige, Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörden, ehrenamtliche Mitglieder eines Betreuungsvereins oder Rechtsanwält*innen sein. Bundesweit werden etwa 75 Prozent aller Betreuungen von Angehörigen und sozial engagierten Bürger*innen übernommen.
Die Einrichtung einer Betreuung wird zunächst auf ein halbes Jahr begrenzt, das ist die sogenannte vorläufige Betreuung. Dann wird erneut überprüft, ob eine endgültige Betreuung notwendig ist. Endgültige Betreuungen werden vom Betreuungsgericht nach sieben Jahren wieder überprüft. Betreuungen können – auf Anregung der*des Betroffenen oder der Betreuungsperson – jederzeit wieder aufgehoben werden. Die Aufhebung der Betreuung kann beim Betreuungsgericht beantragt werden. Das Gericht ist verpflichtet, den Antrag zu prüfen, sofern nicht immer wieder Anträge gestellt werden. Fällt der Grund für eine Betreuung weg, ist die Betreuung vom Gericht aufzuheben. Zu Betreuende, Dritte oder Angehörige haben außerdem die Möglichkeit, ihre Anmerkungen und Beschwerden beim Betreuungsgericht einzureichen.
Für einen Menschen mit körperlicher Behinderung darf eine Betreuung, solange er den eigenen Willen noch bekunden kann, nur auf dessen eigenen Antrag gestellt werden. Hilfestellung hierzu geben die Allgemeinen Sozialen Dienste, die örtlichen Betreuungsbehörden, Betreuungsvereine sowie fachkundige Rechtsanwälte.
Eine Betreuungsverfügung kann mit einer Vorsorgevollmacht verbunden werden. Dies ist z.B. für den Fall empfehlenswert, dass die Vollmacht eine bestimmte Geschäftsbesorgung nicht abdecken sollte oder Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht bestehen sollten.
Die örtlichen Betreuungsbehörden fördern die Aufklärung und Beratung über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Sie unterstützen und beraten auch Vorsorgebevollmächtigte und ehrenamtliche Betreuer.
Kontaktdaten der einzelnen Betreuungsbehörden finden Sie hier (Seite 27).
Das Gesetz definiert die Patientenverfügung als schriftliche Festlegung einer volljährigen Person, ob sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen ihres Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (vgl. § 1901a BGB). Die Patientenverfügung richtet sich in erster Linie an die behandelnden Ärzt*innen und das Behandlungsteam. Diese haben dann zu prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Ist dies der Fall, muss die Patientenverfügung unmittelbar umgesetzt werden.
Zudem kann es sinnvoll sein, auch persönliche Wertvorstellungen, Einstellungen zum eigenen Leben und Sterben und religiöse Anschauungen ergänzend zu schildern. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es in Bezug auf den Patientenwillen Auslegungsprobleme gibt oder wenn die konkrete Situation nicht genau derjenigen entspricht, die in der Patientenverfügung beschrieben ist.
Für die Patientenverfügung gilt insgesamt, dass auf allgemeine Formulierungen möglichst verzichtet werden soll. Vielmehr muss möglichst konkret beschrieben werden, in welchen Situationen die Patientenverfügung gelten soll und welche Behandlungswünsche der*die Verfasser*in in diesen Situationen hat. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollte sich aus der Patientenverfügung sowohl die konkrete Behandlungssituation (z.B.: „Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit“) als auch die auf diese Situation bezogenen Behandlungswünsche (z.B. die Durchführung oder die Ablehnung bestimmter Maßnahmen wie die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr) ergeben.
Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung sieht vor, dass eine Patientenverfügung schriftlich verfasst und durch Namensunterschrift eigenhändig unterzeichnet oder notariell beglaubigt werden muss. Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
Mündliche Äußerungen sind deshalb aber nicht wirkungslos, denn sie müssen bei der Feststellung des mutmaßlichen Patient*innenwillens beachtet werden. Es ist nicht unbedingt erforderlich, aber sehr empfehlenswert, eine Patientenverfügung regelmäßig zu erneuern oder zu bestätigen. So kann man im eigenen Interesse überprüfen, ob die einmal getroffenen Festlegungen noch gelten sollen oder eventuell konkretisiert oder abgeändert werden sollten.
Eine Patientenverfügung sollte so verwahrt werden, dass insbesondere die behandelnden Ärzt*innen, Bevollmächtigte, Betreuungspersonen, aber gegebenenfalls auch das Betreuungsgericht, möglichst schnell und unkompliziert Kenntnis von der Existenz und vom Aufbewahrungsort einer Patientenverfügung erlangen können. Dazu kann es sinnvoll sein, einen Hinweis bei sich zu tragen, wo die Patientenverfügung aufbewahrt wird. Bei der Aufnahme in ein Krankenhaus oder Pflegeheim sollte man auf eine vorhandene Patientenverfügung hinweisen. Wenn eine Vertrauensperson bevollmächtigt ist, sollte auch diese informiert sein.
Im Zusammenhang mit Vorsorge- und Patientenvollmacht fällt immer öfter auch der Begriff Gesundheitsvollmacht. In ihr können Sie eine Person festgelegen, welche Entscheidungen über Ihre Behandlungen treffen darf. Hierbei ist sie an die Bestimmungen einer vorhandenen Patientenverfügung gebunden und entscheidet nur dann, wenn diese keine (eindeutige) Regelung enthält. Eine Gesundheitsvollmacht kann auch innerhalb der Vorsorgevollmacht festgelegt sein.