T*I*N-klusive Hochschule
Obwohl längst nicht erreicht, wird das Thema ‚Gleichstellung zwischen Mann und Frau‘ von Kommunen bis Hochschulen bereits lange bearbeitet, in Sachsen ebenso wie bundesweit. Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung aller Geschlechter wirken jedoch noch nicht in der Breite, wobei es mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für einen positiven dritten Geschlechtseintrag und der Anpassung des Personenstandsrechts seit 2018 eine neue rechtliche Basis für solche Maßnahmen gibt.
Ausgehend vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 wurde in Deutschland zum 18. Dezember 2018 das Personenstandsgesetz geändert. Es gibt somit nun vier Optionen zur Erfassung des Geschlechts: männlich, weiblich, divers, keine Eintragung. Der Beschluss des BVerfG stärkt so das Recht auf Schutz der geschlechtlichen Selbstbestimmung und kann daher auch für trans*, inter* Personen und Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren (kurz: T*I*N), wegweisend sein.
Unterstützungsangebot der KCS
Geschlechtervielfalt ist Realität an und in Hochschulen. Und trans*, inter* und nicht-binäre Menschen gibt es nicht erst seit 2018. So tragen Hochschulen als öffentlich-rechtliche Organisationen die Verantwortung, Bedingungen zu schaffen, die es allen Angehörigen ermöglichen, möglichst diskriminierungsfrei zu arbeiten, zu studieren und miteinander zu interagieren (vgl. Handlungsempfehlungen der bukof 2022, S. 1).
Hierbei möchte die KCS die Hochschulen in Sachsen und darüber hinaus unterstützen. Neben mehreren durchgeführten Workshops und einer Podiumsdiskussion arbeiten wir weiterhin am Thema Geschlechtervielfalt an Hochschulen. Unser Ziel ist es, das Thema Gender Diversity im Hochschulkontext sichtbarer zu machen, zu stärken und für die Bedarfe von Betroffenen zu sensibilisieren. Um im Anschluss daran Handlungsmöglichkeiten für Leitung, Verwaltung, Lehrpersonal und Student*innen zu diskutieren, um für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen ein selbstbestimmtes, diskriminierungsärmeres Arbeiten und Studieren zu ermöglichen.
Beachten Sie auch gerne unsere Leseempfehlungen, Linktipps sowie die Übersicht zum aktuellen Beratungsangebot an sächsischen Hochschulen.
Hilfestellungen für Beratende, Leitungen und Lehrende
Anlässlich des Trans* Day of Visibility (TDoV) im Jahr 2024 präsentiert die KCS eine neue Veröffentlichung: das Poster "T*I*N-klusive Hochschule: Hilfestellungen für Beauftragte, Leitungen und Lehrende".
Das Poster bietet einen Einstieg in das Thema und gibt leicht umsetzbare Hilfestellungen für Hochschulangehörige, ohne langfristige strukturelle Ziele für T*I*N-klusive Hochschulen zu vernachlässigen.
Es handelt sich um ein Projekt der Wissenschaftlichen Hilfskräfte der Koordinierungsstelle Chancengleichheit Sachsen.
Das Poster kann ab sofort als PDF zum Selbstdruck heruntergeladen oder kostenfrei bei der Koordinierungsstelle bestellt werden.
Druckdatei Poster "T*I*N-klusive Hochschule"
Datei herunterladenPoster: T*I*N-klusive Hochschule
Grundaufbau des Posters:
Das Poster besteht aus drei inhaltlichen Blöcken. Im ersten Abschnitt wird die Frage nach der Bedeutung von T*I*N beantwortet. Im zweiten Abschnitt werden kurz die Gründe für die Notwendigkeit einer T*I*N-klusiven Hochschule vorgestellt. Im dritten Abschnitt werden ausgewählte Hilfestellungen für Lehrende und Hochschulleitungen zum Thema T*I*N-klusive Hochschule aufgelistet. Die inhaltlichen Aspekte werden durch einen QR-Code zum Poster sowie den Förderhinweis ergänzt.
Inhalte des Posters:
Was bedeutet T*I*N?
Die Begriffe „Trans*“, „Inter*“ und „Nicht-binär“, kurz: „T*I*N“, dienen als Selbstbezeichnungen für Geschlechtsidentitäten, die nicht oder nicht immer innerhalb eines binären Geschlechterverständnisses verortet sind. Sie stehen vielmehr für ein Verständnis von Geschlecht, das innerhalb eines Spektrums stattfindet und mehr bietet als „Frau“ oder „Mann“.
- Trans*: Trans* Personen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Sie können binär (Mann oder Frau) oder nicht-binär sein.
- Inter*: Inter* Personen haben körperliche/genetische Merkmale, die sich nicht in die herrschende medizinische Norm von ‚eindeutig’ weiblichen oder männlichen Körpern einordnen lassen.
- Nicht-binär: Personen sind nicht-binär, wenn sie sich nicht (vollständig/immer) als Frau oder Mann identifizieren.
Menschen, die nicht trans*, inter* oder nicht-binär sind, können als „cis“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass sie sich mit dem Geschlecht identifizieren können, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
*Das Sternchen hinter trans* und inter* steht für das Spektrum an Geschlechtsidentitäten, die in diesen Begriffen enthalten sein können („umbrella term“).
Warum braucht es T*I*N-klusive Hochschulen?
Im Hochschulalltag werden viele T*I*N-Personen Diskriminierungen ausgesetzt.
So werden sie beispielsweise mit einem falschen, bereits abgelegten Namen („Deadname“) und den falschen Pronomen angesprochen. Gründe dafür sind, dass Hochschulen in den digitalen Erfassungssystemen keinen selbstgewählten Geschlechtseintrag ermöglichen und keine geschlechterinklusive Kommunikation etablieren.
Auch die Verwendung von binär aufgeteilten Sanitär-anlagen kann belastend sein. Wenn es keine geschlechtsneutralen Toiletten gibt, sind T*I*N-Personen dazu gezwungen, sich für eine Toilette zu entscheiden, die nicht dem eigenen Geschlecht entspricht. Zudem kann es zu Konfrontationen mit anderen Nutzer*innen der Anlage kommen, wenn der T*I*N-Person beispiels-weise ein anderes Geschlecht zugeschrieben wird als das, welches auf der Beschilderung der Toilette angegeben ist.
Beides kann dazu führen, dass Studierende Lehr-veranstaltungen fernbleiben oder den Tag über nichts essen und trinken, um nicht die Toilette aufsuchen zu müssen.
Diese Umstände erschweren den Studienalltag und verletzen zudem das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Es bleibt oft unklar, wer bei solchen Schwierigkeiten angesprochen werden kann. Selbst wenn es Ansprechpartner*innen gibt, müssen diese auch sensibel für Diskriminierungspotentiale im Hochschulalltag sein, die T*I*N-Personen erleben.
Hilfestellungen für Beauftragte, Leitungen und Lehrende
Namensänderungen an Hochschulen
Unter dem selbstgewählten Namen zu studieren oder zu arbeiten, sollte für alle Hochschulangehörigen selbstverständlich ermöglicht werden. Rechtlich gesehen ist dies für die Hochschulen tatsächlich unproblematisch. Die Identität von Studierenden kann beispielsweise auch über Matrikelnummer, Nachname und Geburtstag festgestellt werden. Der Ergänzungsausweis der dgti kann als guter Nachweis für den selbstgewählten Namen, das Geschlecht und die Pronomen verwendet werden, wenn die Änderung (noch) nicht amtlich bestätigt ist. Viele Hochschulen akzeptieren diesen Ausweis bereits. Ein schnelles Bearbeitungsverfahren und einfach zu findende Informationen helfen T*I*N-Personen bei der Namensänderung.
Strukturelle Unterstützung für T*I*N-Personen
Konkrete Hilfsangebote, Peerberatungen und Vernetzungsmöglichkeiten können T*I*N-Personen dabei unterstützen, ihr Studium erfolgreich abzuschließen. Außerdem ist es wichtig, dass T*I*N-Personen im Falle von Diskriminierung wissen, an wen sie sich wenden können.
Um Toiletten, Duschen und Umkleiden T*I*N-klusiv zu gestalten, sollten die Hochschulen – wenn möglich – die Ausstattung der Anlage ausschildern sowie Frauen- und Männer-WCs zu gleichen Teilen zu Toiletten für alle Geschlechter umrüsten. Darüber hinaus empfiehlt es sich, Einzelkabinen statt Gruppentoiletten, -duschen und -umkleiden zur Verfügung zu stellen.
Zusätzlich können Weiterbildungsangebote, auch für Mitarbeitende der Verwaltung und Beratung, dazu beitragen, einen respektvollen und sensiblen Umgang zu fördern. Hierbei sollte auch die Sensibilisierung für die eigene Machtposition, insbesondere in Bezug auf das eigene Geschlecht, berücksichtigt werden.
Diskriminierungssensibler Umgang an der Hochschule
Bestimmte Abläufe und Umgangsformen können das Wohlergehen von T*I*N-Personen an Hochschulen begünstigen und so dem Fernbleiben von Lehrveranstaltungen vorbeugen. Darauf haben nicht zuletzt Dozierende großen Einfluss. Sie können beispielsweise in der Vorbereitung einer Lehrveranstaltung auf eine diverse Auswahl an Autor*innen achten, um unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen. Zu Beginn eines Seminars können sie Pronomen und Namen von den Teilnehmenden erfragen und zur Ansprache Vor- und Nachname anstelle von „Frau/Herr Nachname“ verwenden. Von Dozierenden zugeteilte Redeanteile sollten fair verteilt und verschiedene Formen der Beteiligung angeboten werden. T*I*N-diskriminierende Äußerungen von Kolleg*innen oder Studierenden, auch außerhalb von Seminaren, sollten angesprochen und problematisiert werden.
Linktipps zu T*I*N-klusiver Hochschule
Empfehlungen der Koordinierungsstelle
Leitfäden für T*I*N-klusive Hochschule
- Akademie der Bildenden Künste Wien (2019): trans. inter*. nicht-binär. Lehr- und Lernräume an Hochschulen geschlechterreflektiert gestalten.
- Queer*Z. Queere Politik für Zürcher Hochschulen: Leitfaden für Hochschulen zum inklusiven Umgang mit allen Geschlechtern. Ein Leitfaden für Mitarbeitende.
- AG trans* HoPo / dgti e. V. (2018): Inter* und Trans* an der Hochschule. Informationen zum kompetenten Umgang mit Inter* und Trans*studierenden für Entscheidungsträger*innen an Hochschulen.
- Universität Bielefeld / Birkner, Siân, Zentrales Gleichstellungsbüro (2022): TIN*Diskriminierungssensible Lehre. Eine Handreichung für Lehrende.
- Dgti e.V. / AG trans* HoPo (2017): Benachteiligungen von Inter*- und Trans*personen an Hochschulen. Wo finden sie sich und wie sind sie zu lösen?
Hornstein, René_ Rain / AG trans* HoPo (2018): Kriterien für TIN-klusive Hochschulen.
Namensänderungen an deutschen Hochschulen
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Rechtliche Einschätzung "Verwendung des gewählten Namens von trans* Studierenden an Hochschulen unabhängig von einer amtlichen Namensänderung"
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Mertens, Alexis / Gerlach, Lee / Hornstein, René_ Rain: Änderung von Vornamen und/oder registriertem Geschlecht an Hochschulen. Durch rechtliche Handlungsspielräume zur diskriminierungsfreieren Hochschule für TIN Personen
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Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. (2022): Handlungsempfehlungen für Geschlechtervielfalt an Hochschulen
Buchempfehlungen aus unserer Fachbibliothek
- Ewert, Felicia (2021): Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung. Münster, edition assemblage.
- Faye, Shon (2022): Die Transgender-Frage. Ein Aufruf zu mehr Gerechtigkeit. Berlin, hanserblau.
- Schochow, Gehrmann et. al. (Hrsg.) (2016): Inter* und Trans*Identitäten. Ethische, soziale und juristische Aspekte. Gießen, Psychosozialverlag.
- Pohlkamp, Ines (2014): Genderbashing. Diskriminierung und Gewalt an den Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit. Münster, Unrast.
- Rheinländer, Kathrin (Hg) (2015): Ungleichheitssensible Hochschullehre. Positionen, Voraussetzungen, Perspektiven. Wiesbaden, Springer.
- Eckert, Lena / Martin, Silke (Hg.) (2016): Schöner Lehren - gegendert und gequeert. Marburg, Schüren.
- Hille, Nicola / Hartwig, Meike (2013): Gender in der Lehre. Best-Practice-Beispiele für die Hochschule. Opladen, Budrich UniPress.
Weitere Linktipps
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sbgg.info: Informationen zum Selbstbestimmungsgesetz
- Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (2022): Lebenslagen von lsbtiq* Personen in Sachsen. Ergebnisse und Handlungsbedarfe.
- Emmerich, Sophia / Arndt, Sam (2021): Ab heute. Der lange Weg zum eigenen Namen.
- Darowska, Lucyna (2019): Diversity an der Universität: Diskriminierungskritische und intersektionale Perspektiven auf Chancengleichheit an der Hochschule. Bielefeld, transcript Verlag.