Mentoring+ Programm der HTWK Leipzig im Interview mit der KCS

Wir haben Urte Grabe und Maria Übel getroffen, um mehr über das Mentoring+ Programm zu erfahren

Individuelle Unterstützung für Studierende in besonderen Lebenslagen

KCS: Was ist das Mentoring+ Programm?

Urte Graba (UG): Mentoring+ ist ein Programm von Studierenden für Studierende, vor allem mit dem Fokus auf Studierende in besonderen Lebenslagen. Die Zielgruppe ist bewusst breit definiert, weil wir nicht nur Studierende mit chronischen Erkrankungen oder anderen Beeinträchtigungen ansprechen wollen. Die Frage ist ja immer: was ist so eine besondere Lebenslage? Für den einen ist es das Studieren mit Familie, für den anderen sind es akute, für den nächsten sind es chronische Erkrankungen, der Studieneinstieg nach längerer Auszeit und so weiter. Hier an der Hochschule haben wir durch das Ersti-Coaching ein Mentoring-Programm vor allem für die Studieneingangsphase.
Das Plus bedeutet, dass es ein individuelles Begleitprogramm ist, das auf Studierende in besonderen Lebenslagen abzielt und über die Studieneingangsphase hinaus geht.

Maria Uebel (MU): Das besondere ist, dass es ein sehr individuelles Mentoring ist. Die anderen Mentoring-Programme der HTWK sind auch Peer-Angebote von Studierenden für Studierende, so wie Ersti-Coaching oder Tutorien, in denen in Gruppen zusammengearbeitet wird. Beim Mentoring+  ist das Besondere der Eins-zu-Eins-Ansatz.

KCS: Wie kam es zu der Idee Ihres Programmes? Gab es einen ausschlaggebenden Moment?

UG: Wir haben immer wieder festgestellt, dass gerade Studierende in besonderen Lebenslagen insgesamt wenig Unterstützung und Gehör im Studium haben. Da war unsere Überlegung, wie wir diese Gruppe an unserer Hochschule stärken und in ihren Stärken wahrnehmen können. Die Grundidee war, dass diese Personen ihre Expertise als Mentoren und Mentorinnen für andere Studierende in ähnlichen Lebenslagen weitergeben könnten.
Um die Bandbreite auf zu zeigen: „Wie vermeide ich als Person mit Gehbehinderung „crip time“?“ zu „Wie kann mir nach längerer Krankheit der Wiedereinstieg ins Studium gelingen?“ gibt es eine Vielzahl an sehr individuellen Unterstützungsbedarfen.

MU: Es gibt nämlich sehr viel Expertise in der Studierendenschaft. Diese können ihre Kommiliton*innen dann meist besser unterstützen als es Nicht-Betroffene könnten.

KCS: Wie wird denn ihr Angebot angenommen?

MU: Wir sind relativ klein gestartet, da es ja ein neues Programm ist und wir erstmal schauen wollten, wie es anläuft und angenommen wird, damit wir alles gut organisieren und begleiten können. Wir haben Schritt für Schritt angefangen, das Programm zu bewerben und begleiten momentan lediglich fünf Tandems. Der Hintergrund ist, dass wir uns Zeit nehmen wollen, Erfahrungswerte zu sammeln, um das Programm gut aufzustellen. Deswegen würde ich auch sagen, dass wir noch in der Pilotphase sind. Es haben sich nach unserem ersten Aufruf sofort Studierende gemeldet, sowohl als Mentees als auch Mentor*innen. Mittlerweile bieten wir das Programm auch über das Studium Generale an, sodass Mentor*innen sich das Programm mit ECTS-Punkten anerkennen lassen können. Für ihr Engagement erhalten sie außerdem ein Zertifikat. Unsere Erfahrung aus den anderen Peer-Programmen ist auch, dass es eine Weile dauert, bis die Information in der Studierendenschaft durchsickert, dass es das Programm überhaupt gibt.

Das Matching-Verfahren zwischen Mentees und Mentor*innen

KCS: Wie läuft das Matching zwischen den Mentees und Mentor*innen ab?

UG: Ich denke, das Matching ist immer die größte Herausforderung beim Mentoring+-Programm. Für die Mentees und Mentor*innen gibt es jeweils einen Fragebogen, den wir zu persönlichen Interessen und Unterstützungsbedarfen stellen bzw. was die Mentor*innen sich vorstellen und leisten können. Dann schauen wir, wer gut zueinander passen könnte und organisieren und begleiten ein erstes Kennenlern-Gespräch.

MU: Es geht in diesem ersten Schritt darum, ein Gefühl für die Person zu bekommen. Unserer Erfahrung nach haben die Mentees oft ganz klare Vorstellungen, welche Form der Unterstützung ihnen weiterhelfen würde. Deswegen ist das Matching in der Praxis gar nicht so schwer. Das hat bisher immer gut funktioniert.
Als nächstes werden die Erwartungen klar formuliert und wir stecken gemeinsam den Rahmen ab. An diesem Punkt ist die Frage nach der Abgrenzung sehr wichtig: Welche Fragen können den Mentor*innen „zugemutet“ werden? Wo gibt es Momente, in dem eine Person mit der Begleitung im Studienalltag an eine Grenze kommt? Wir haben hier ja kein professionelles Angebot, sondern eben ein Mentoring-Programm. Nach sechs bis acht Wochen fragen wir dann nach, wie es läuft und setzen uns noch einmal zusammen.

KCS: Welche Zielgruppen haben Sie bisher besonders erreicht?

UG: Bisher ganz verschiedene. Es gab einen internationalen Studenten, Personen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen. Oft ging es auch darum nach einer Erkrankung wieder in das Studium zurückzufinden, nach einer langen Zeit wieder einen Rhythmus und Alltag im Studium zu etablieren. Häufig fallen Studierende durch ihre Fehlzeiten ja auch aus einer sozialen Gruppe heraus.

KCS: Wie bewerben Sie das Programm und über welchen Kanal erhalten Sie den meisten Rücklauf?

MU: Wir haben Flyer, Visitenkarten und Plakate, die an verschiedenen Orten ausliegen und aushängen. Im Sommer wollen wir außerdem mit Werbung über den Instagram-Account der HTWK beginnen und danach auch über die HTWK-Website und die HTWK-App gehen.

UG: Außerdem haben wir die Fachschaftsräte, den Studierendenrat und die beratenden Stellen der Hochschule informiert. Ganz oft kommen die Mentees nämlich aus Beratungsgesprächen zu uns, z.B. aus der Studienberatung.

KCS: Welchen Ausblick gibt es für die Zukunft des Programms? Welche Erfahrungswerte nehmen Sie mit?

UG: Die Erfahrungen aus einem Semester haben uns gezeigt, dass das Mentoring+ ein sehr sinnvolles zusätzliches Begleitprogramm für Studierende ist. Es wurde bisher sehr gut und schnell angenommen und nachgefragt. Aus diesem Grund, entwickeln wir es gerne in den nächsten Semestern weiter.

Vielen Dank für das Interview!

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite des Mentoring+ Programms (Externer Link).