Zwischenfazit zum Sachsen-Technikum: Ein Interview nach anderthalb Projektjahren
Das Sachsen-Technikum ist ein Pilotprojekt, das Frauen für Studienfächer im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) gewinnen soll. Im Interview gibt die Projektkoordinatorin Charlotte Seidel (Externer Link) Einblicke in die Zwischenevaluation, die im November 2024 angefertigt wurde. Wir sprachen über Stärken, Herausforderungen und Perspektiven des Projektes.
Was ist das Sachsen-Technikum und welche Ziele verfolgt es?
Das Sachsen-Technikum ist ein Studienorientierungsprogramm im Gap-Year-Format, das in Kooperation von HTW Dresden und TU Chemnitz pilotiert wird und aktuell mit der HTW Dresden umgesetzt wird. Das Projekt wird vom SMWK gefördert. Die Teilnehmerinnen kombinieren zwischen dem Schulabschluss und ihrem weiteren Bildungsweg beim Sachsen-Technikum ein Praktikum in einem sächsischen MINT-Unternehmen mit einem Schnupperstudium.
Das Hauptziel des Sachsen-Technikums ist es, Frauen für ein Studium im MINT-Bereich zu gewinnen. Frauen sind ja nach wie vor in den Technikwissenschaften stark unterrepräsentiert (Anm. der Redaktion: Daten zum Thema Studienfach und Geschlecht sind bspw. über das Komm mach MINT-Datentool (Externer Link) abrufbar). Es geht aber auch darum, eine Unterstützung in der beruflichen Orientierung zu schaffen, die langfristig wirkt und die Möglichkeiten in der Region frühzeitig vor Augen führt – im Endeffekt soll das Projekt auch dem Arbeitsmarkt und der Fachkräftesicherung im Freistaat zugutekommen.
Wie soll dieses Ziel erreicht werden, wo setzt das Sachsen-Technikum an?
So ein großes Ziel kann natürlich nicht durch ein einziges Projekt erreicht werden. Aus der Forschung wissen wir, dass sich Interessen für bestimmte Schulfächer sowie die Identifikation mit und das In-Erwägung-Ziehen von konkreten Berufen von früher Kindheit an und zunehmend mit der Pubertät unter dem Einfluss von sozialen Geschlechternormen formen. Wir wissen aber auch: Sie können immer wieder aufgebrochen werden! Wichtig ist es daher, Angebote für jede Altersstufe zu machen und Kinder, aber auch Jugendliche und junge Erwachsene jeweils da abzuholen, wo sie stehen.
Das Sachsen-Technikum setzt in der sensiblen Phase zwischen Schulabschluss und Entscheidung für den weiteren Bildungsweg an. Häufig kommt die Berufs- und Studienorientierung vor lauter Abistress zu kurz und viele wollen auch erst Verschiedenes ausprobieren und eine Auszeit vom rein akademischen Lernen nehmen. Im Sachsen-Technikum profitieren unsere Teilnehmerinnen von praktischen Erfahrungen, Einblicken in die Hochschulwelt und einem Rahmenprogramm.
Seit dem Projektstart wurden erste Durchläufe erfolgreich organisiert. Allerdings sind die Teilnehmerinnenzahlen noch nicht so hoch wie angestrebt – was bei einem neuen Projekt aber auch ganz normal ist. Wir brauchen noch etwas Zeit, um bekannter zu werden.
Wie bewerten Teilnehmerinnen und Unternehmen das Programm?
Erste Rückmeldungen zeigen, dass Bewerberinnen Orientierung zwischen den vielen Optionen im MINT-Bereich suchen und die Kombination aus Praktikum und Studium als eine wertvolle Hilfe sehen. Unternehmen schätzen die Gelegenheit, junge Talente frühzeitig kennenzulernen. Allerdings könnten die Rahmenbedingungen am Hochschulstandort für beide durch einen ordentlichen Studierendenstatus noch attraktiver gestaltet werden. Da sind wir dran.
Welche Herausforderungen sind bisher aufgetreten?
Eine zentrale Herausforderung war die kurze Laufzeit des Projektes – wir sind im Herbst 2023 gestartet. Vor allem im Kontext, dass wir nicht wussten, wie es nach dem Ende der Legislaturperiode 2024 weitergehen würde, war das für die Planung leider oft problematisch. Die Vorlaufzeiten zur Einrichtung von Studiengängen sind lang und die Werbezeiträume durch Schulabschluss und Semesterbeginn fix vorgegeben. Das gibt uns als Projekt nur geringe Spielräume, uns on-the-go anzupassen – wir verlieren unter Umständen ein ganzes Jahr.
Welche Chancen bietet das Projekt trotz dieser Hürden?
Das Sachsen-Technikum hat das Potenzial, als langfristige Initiative Frauen in MINT nachhaltig zu fördern. Denn das monodidaktische Programm ist konkret auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten (lesen Sie auch „Warum ein MINT-Programm nur für Frauen? (Externer Link)“). Die Alumnae-Befragung des Schwesterprojektes Niedersachsen-Technikum (Externer Link) hat gezeigt, dass die Teilnehmerinnen auch langfristig im MINT-Studium und -Beruf bleiben und das Technikum als bedeutsam für ihre Karriereentwicklung einschätzen. Als Teil einer Bildungskette, die MINT-Bildung und -Berufsorientierung in jedem Alter unabhängig vom Geschlecht fördert, kann das Sachsen-Technikum einen wichtigen Baustein für den Übergang ins Studium und den Verbleib im Beruf bilden.
Das Sachsen-Technikum als Maßnahme zur Gewinnung von jungen Frauen für MINT steht nun im Koalitionsvertrag 2024–2029. Dort heißt es, es solle neu aufgestellt werden. Welche Empfehlungen für eine Weiterführung des Projektes gibt es?
In der Zwischenevaluation empfehlen wir eine Verlängerung der Projektlaufzeit auf mindestens drei Jahre, um nachhaltige Strukturen aufzubauen und die Entwicklung der Teilnehmerinnenzahlen zu beobachten. Außerdem sprechen wir uns für einen ordentlichen Studierendenstatus für die Teilnehmerinnen aus. Das wird ihre soziale Absicherung verbessern und dadurch erleichtern wir die Entscheidung für die Teilnahme. Eine weitere Empfehlung ist, das Programm ausschließlich zum Wintersemester zu starten, da dies besser mit schulischen und akademischen Zyklen harmoniert.
Was sind die nächsten Schritte?
In den kommenden Monaten wird verstärkt daran gearbeitet, das Programm noch bekannter zu machen und neue Kooperationen mit Schulen und außerschulischen Bildungsträgern zu knüpfen. Dazu sind verschiedene Messeauftritte und Info-Termine geplant. Die Liste wird auf der Website des Sachsen-Technikums (Externer Link) ständig aktualisiert. Gleichzeitig sollen die Erfahrungen aus der bisherigen Umsetzung genutzt werden, um die Struktur des Programms weiter zu optimieren. Ziel ist es, das Sachsen-Technikum als festen Bestandteil der Studienorientierung in Sachsen zu etablieren.
Hintergrund
Das Sachsen-Technikum hat einen wichtigen Grundstein gelegt, um Frauen für MINT-Studiengänge und ‑Berufe zu begeistern. Die Erkenntnisse aus der Zwischenevaluation bieten wertvolle Ansätze, um das Programm weiterzuentwickeln und langfristig erfolgreich zu machen. Wir sind gespannt, wie sich das Projekt in den nächsten Jahren entwickeln wird.
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