Neues Hochschulgesetz verabschiedet – auch Vorschläge der KCS wurden umgesetzt

Der sächsische Landtag hat heute das neue Sächsische Hochschulgesetz verabschiedet. Das Gesetz löst das bisherige Sächsische Hochschulfreiheitsgesetz aus dem Jahr 2013 ab. Die Koordinierungsstelle Chancengleichheit Sachsen (KCS) begrüßt das neue Gesetz, das eine positive Entwicklung für Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in Lehre und Studium im Hochschulbereich in Sachsen darstellt. Unter anderem wird das Amt der Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen durch eine gesetzliche Verankerung und der Diskriminierungsschutz an den Hochschulen gestärkt. Zudem begrüßt die KCS den Abschied vom generischen Maskulinum im Gesetzestext.

Welche Änderungen bringt das neue Sächsische Hochschulgesetz?

Im Bereich Inklusion gab es in den letzten Jahren viele wichtige und positive Maßnahmen, die Sachsen deutlich von anderen Bundesländern abheben. Eine Leerstelle, wiederum auch im Vergleich zu anderen Bundesländern, stellte bis dato das fehlende Amt der Beauftragten für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen dar. Mit der Novellierung wurde nun das Amt der Beauftragten in das Hochschulgesetz aufgenommen und entsprechend Aufgaben und Mitwirkungsrechte bzw. -pflichten wurden geregelt.

Dazu erklärt Dr.in Stefanie Dreiack, Koordinatorin für Inklusion: „Bereits 2019 haben wir gemeinsam mit den Beauftragten ein Positionspapier der Inklusionsakteur*innen an den Hochschulen für die Novellierung des sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes erarbeitet. Diese Impulse waren wichtig für unsere Stellungnahme und die Anhörung im Landtag im März 2023. Wir freuen uns sehr, dass die Vorschläge in das neue Gesetz aufgenommen wurden. Großartig ist insbesondere, dass die Arbeit der Beauftragten für Studierenden mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen im Hochschulgesetz endlich einen gesetzlichen Rahmen gefunden hat. Die Beauftragten sind für die Beratung der Studierenden besonders wichtig. Hinzu kommt, dass die Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen an den Hochschulen seit vielen Jahren Inklusion und Barrierefreiheit auch strukturell voranbringen.“

Mit dem ergänzten § 5 (5) wird der Diskriminierungsschutz an Hochschulen gestärkt und festgelegt, dass die Hochschulen ein diskriminierungsfreies Studium zu sichern haben und bestehende Benachteiligungen abbauen müssen. Außerdem wird explizit auf das AGG verwiesen und konkretisiert, dass dieses auch für Studierende gilt. Diese wichtige Änderung zur Erreichung chancengleicher Bedingungen für Studierende wurde bereits von verschiedenen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung zum Thema „#MeToo in Science: Diskriminierungsschutz auch für Studierende sichern!“ (Drs 7/8995) im Landtag Ende Februar mit Nachdruck vorgetragen und auch die KCS, die KSS und andere Interessenvertretungen waren sich einig, dass eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes für Studierende überfällig ist (vgl. MDR-Beitrag vom 4. März 2023). Diana Hillebrand-Ludin, Koordinatorin für Gender und Diversität sagt dazu: „Positiv hervorzuheben ist, dass nun auch in Sachsen endlich die Schutzlücke des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für Studierende geschlossen wurde – ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem systematischen Diskriminierungsschutz.“

Nachteilsausgleich, Orientierungsstudium, Prüfungen – neue Regelungen für Studium und Promotion

Entsprechend unserer Stellungnahme unterbreitete die KCS einen Formulierungsvorschlag für §17 (4), der nun Eingang ins neue Hochschulgesetz gefunden hat. Die Einführung eines Orientierungsstudiums bietet fortan den Hochschulen Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Studieneingangsphase, um schließlich eine verbesserte Studien- und Berufsorientierung zu erreichen. Und gleichzeitig wurde mit der Novellierung auch ein gesetzliches Fundament für das neue Projektvorhaben „Sachsen-Technikum“ geschaffen, das seit April bei der KCS liegt. „Die Orientierung für ein Studium ist eine entscheidende Phase für den weiteren Lebensweg. Es ist wichtig, dass Schulabsolvent*innen sie begründet treffen und sich dabei nicht von falschen Vorstellungen über die eigenen Fähigkeiten oder den späteren Beruf leiten lassen, was insbesondere Frauen noch zu oft von einem MINT-Studium abhält“, so die Projektleitung Charlotte Seidel. „Mit der Aufnahme des Orientierungsstudiums ins Hochschulgesetz würdigt der Gesetzgeber die Arbeit, die in diesem Bereich bereits von den Hochschulen geleistet wird und legt die Grundlage, um neue Angebote wie das Sachsen-Technikum aufzubauen. Ich freue mich, in der Pilotphase des Projektes auf Basis des neuen Hochschulgesetzes, Strukturen für ein Orientierungsstudium zu etablieren, die auf Studieninteressierte und Hochschulen zugeschnitten sind und langfristig wirken können.“

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls positiv hervorzuheben, dass in § 33 Teilzeitstudiengänge gefördert werden. Bundesweit gaben im Rahmen der Best-2-Studie 10 % der Studierenden mit einer Behinderung an, dass beeinträchtigungsbezogene Schwierigkeiten vor allem deshalb entstehen, weil Studiengänge nicht in Teilzeit studiert werden können. Wir befürworten folglich das Modell der individuellen Teilzeit, um den unterschiedlichen Lebenslagen gerechter zu werden.

Auch verschiedene Neuregelungen im Bereich der Studien- und Prüfungsordnungen tragen nunmehr den unterschiedlichen Lebensmodelle von Studierenden und Promovierenden Rechnung. So wurde unser Vorschlag, in den Promotions- und Habilitationsordnungen Regelungen zum Mutterschutz, zur Elternzeit sowie gegen die Benachteiligung von Promovend*innen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen aufzunehmen, umgesetzt wurde. Diese Regelungen wurden bereits im Referentenentwurf für Studien- und Prüfungsordnungen angepasst. Zu begrüßen ist ebenfalls die Übernahme von Hinweisen aus der Anhörung, die die Option von Reformmodellen im Studium um den Aspekt des Prüfungswesens erweitern. So haben die Hochschulen fortan die Möglichkeit, versuchsweise die Begrenzung der Prüfungsversuche aufzuheben, andere Fristen einzuführen oder eine andere Prüfungsreihenfolgen festzulegen. Das ist eine wichtige Maßnahme gegen Prüfungsstress und psychische Belastungen im Studium.

Wo gibt es noch Nachbesserungsbedarf im neuen Sächsischen Hochschulgesetz?

Zugleich sind jedoch wichtige Forderungen der KCS im verabschiedeten Sächsischen Hochschulgesetz unberücksichtigt geblieben – insbesondere was die Stärkung des Amtes und verbindliche Entlastungs- und Ausstattungsoptionen für die Gleichstellungsbeauftragten betrifft: hier sind deutliche Verbesserungen weiterhin erforderlich. In § 56 Hochschulgesetz gab es zwar Änderungen, was die Konkretheit und Verbindlichkeit der gewählten Formulierungen, also der Ausstattung und Entlastung, angeht. Aus Sicht der KCS wären aber weitere Ausführungen notwendig gewesen, die den Spielraum, den die Begriffe „angemessen“, „erforderlich“ und „notwendig“ bieten, eher verringern und eindeutige Regelungen treffen, die alle Hochschulen und Hochschultypen in ihrer Verschiedenheit berücksichtigen.

Ebenso auf dem Weg zu einer barrierefreien und inklusiven Hochschule wurden wichtige Ergänzungen im Bereich der Qualitätssicherung und Hochschulsteuerung nicht übernommen. Abschließend erklärt Dr.in Stefanie Dreiack dazu: „Das heute verabschiedete Sächsische Hochschulgesetz ist ein wichtiger Schritt zu mehr Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in Lehre und Studium im Hochschulbereich in Sachsen. Diesen zukunftsweisenden Weg werden wir weiterhin unterstützen und die Beauftragten, Mitarbeitenden und alle Beteiligten auf den Weg zu einer chancengerechteren Hochschule begleiten.“

Hintergrund

Das Sächsische Kabinett hatte am 20. Juli 2022 eine umfassende Novelle des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes zur Anhörung freigegeben. Durch das Ministerium wurden eine Reihe von wichtigen politischen und gesellschaftlichen Akteuren sowie relevante Interessengruppen im Bereich Hochschule zu einem ersten Entwurf des Gesetzes angehört. Auf dieser Grundlage wurde der Gesetzentwurf für die zweite Kabinettsbefassung vorbereitet. Das sächsische Kabinett hatte dem überarbeiteten Entwurf für ein neues Hochschulgesetz am 21. Dezember 2022 zugestimmt. Schon zu diesem Zeitpunkt beinhaltet das Gesetz umfangreiche Reformen für die Hochschullandschaft in Sachsen.

Im weiteren Verlauf wurde das Gesetz zur Beratung an den Sächsischen Landtag überwiesen, woraufhin der Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus des Sächsischen Landtags Anfang März Sachverständige aus Wissenschaft, Verwaltung und Gesellschaft zum Gesetzentwurf für ein neues Hochschulgesetz angehört hat. Danach wurde vom Ausschuss von den Regierungsfraktionen ein Änderungsantrag verabschiedet. Das Gesetz sowie der Änderungsantrag wurden in der Sitzung am 31. Mai 2023 vom Sächsischen Landtag besprochen und in seiner vorliegenden Form verabschiedet.

Weitere Links und Informationen

Neues sächsisches Hochschulgesetz

"Sächsischer Landtag stimmte heute dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zum sächsischen Hochschulgesetz zu", Pressemitteilung des SMWK vom 31.05.2023

Gesetzentwurf der Staatsregierung "Zweites Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen" (Drucksache 7/11881), 22.12.2022

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus zu Drs 7/11881 (Drucksache 7/13491), 23.05.2023

Anhörung Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus, Video zum „Zweites Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen“, 06.03.2023

Novelle Sächsisches Hochschulgesetz: Stellungnahme der KCS zum Referentenentwurf, Newsbeitrag vom 20.09.2022